Die Zuteilung europäischer Fördermittel für Regionen ist seit Jahrzehnten ein wesentliches Mittel der EU, um wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zu verringern und die Entwicklung strukturschwacher Gebiete voranzutreiben. Diese Politik, die lokale Projekte, Innovation und nachhaltige Entwicklung zu fördern sucht, bringt insbesondere in Deutschland Vorteile für Regionen wie Hamburg und Schleswig-Holstein. Die bewährte Praxis, diese Gelder dezentral und unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu vergeben, steht jedoch zunehmend unter Druck. Die Vorschläge der Europäischen Kommission sehen eine stärkere Zentralisierung der Mittel vor und deren Verteilung auf nationaler Ebene. Dies trifft in den Ländern auf entschiedenen Widerstand.
Im schleswig-holsteinischen Landtag hat die SPD-Fraktion das Thema aufgegriffen und kämpft energisch für den Erhalt der dezentralen Vergabepraxis. Serpil Midyatli, die Fraktionsvorsitzende, hebt hervor, wie wichtig es ist, dass regionale Mitbestimmung erfolgen kann und dass nur auf lokaler Ebene Lösungen entwickelt werden können, die maßgeschneidert sind. So die Kritik: Eine Zentralisierung könnte dazu führen, dass regionale Einflussmöglichkeiten verloren gehen, innovative Projekte eingeschränkt werden und letztlich die demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger vor Ort geschwächt wird. Die SPD-Fraktion befürchtet zudem, dass bei einer nationalen Bündelung der Mittel weniger Gelder tatsächlich für die regionale Strukturförderung zur Verfügung stehen könnten.
Die SPD-Fraktion hat beantragt, dass die Landesregierung auf Bundes- und EU-Ebene für den Erhalt der dezentralen Struktur- und Regionalförderung eintritt. Die Debatte in Kiel ist Teil einer bundesweiten und europäischen Diskussion über die zukünftige Gestaltung der Kohäsionspolitik. Während die Europäische Kommission Effizienzgewinne und eine verstärkte Kontrolle durch die Nationalstaaten befürwortet, warnen viele Akteure aus den Regionen vor einer Entfremdung von den tatsächlichen Bedarfen vor Ort. Die Debatte über die Verteilung der EU-Gelder umfasst neben finanziellen auch politische und gesellschaftliche Dimensionen, die entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit der betroffenen Regionen haben werden.
In diesem Zusammenhang untersucht der Artikel die Hintergründe, Folgen und Perspektiven der gegenwärtigen Diskussion über die EU-Förderpolitik in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die folgende Analyse bietet einen umfassenden Überblick über ein Thema, das nicht nur Experten, sondern viele Menschen in Norddeutschland unmittelbar betrifft, von der historischen Entwicklung der Förderpolitik über die konkreten Programme und Projekte vor Ort bis hin zu den Argumenten der verschiedenen Akteure und den zukünftigen Herausforderungen.
Die europäische Struktur- und Regionalförderung: Basis und Zielsetzungen
Die Struktur- und Regionalförderung auf europäischer Ebene ist einer der bedeutendsten Grundpfeiler der Europäischen Union. Sie zielt in erster Linie darauf ab, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen den europäischen Regionen abzubauen und den wirtschaftlichen, sozialen sowie territorialen Zusammenhalt zu fördern. Diese Politik hat ihre Wurzeln in den Gründungsjahren der Europäischen Gemeinschaft, als die Notwendigkeit erkannt wurde, die unterschiedlichen Entwicklungsstände innerhalb Europas auszugleichen.
Die sogenannten Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF), insbesondere der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Sozialfonds (ESF), sind zentrale Instrumente dieser Förderpolitik. Mit diesen Fonds werden Projekte unterschiedlichster Art finanziert – von der Infrastrukturmodernisierung über die Unterstützung von Innovation und Forschung bis zur Förderung von sozialer Integration und Beschäftigung. Die Förderperioden erstrecken sich über mehrere Jahre, derzeit auf den Zeitraum von 2021 bis 2027.
Die Dezentralität stellt ein wesentliches Merkmal der bisherigen Förderpraxis dar. Die Projekte werden zum Großteil auf regionaler Ebene programmiert, ausgewählt und umgesetzt. Dadurch können die besonderen Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich in einzelnen Gebieten ergeben, Beachtung finden. So zieht Schleswig-Holstein Nutzen aus Programmen, die speziell auf die maritime Wirtschaft, den ländlichen Raum oder die Energiewende ausgerichtet sind. Hamburg als Metropolregion hingegen fokussiert sich auf andere Bereiche wie Innovation oder Integration.
Nicht nur stellt die europäische Kohäsionspolitik ein monetäres Instrument dar – sie ist auch ein Zeichen dafür, dass man in der Politik den Entschluss gefasst hat, den Integrationsprozess zu intensivieren und den Bürgerinnen und Bürgern Europas konkrete Vorteile zu verschaffen. Sie hilft dabei, Gebiete mit strukturellen Schwächen zu revitalisieren, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und den sozialen Zusammenhalt zu unterstützen. Fördermittel sind ein wichtiges Instrument für die nachhaltige Entwicklung in Regionen, die besonderen Herausforderungen gegenüberstehen, sei es durch den Strukturwandel, demografische Veränderungen oder ihre geografische Randlage.
Es hat sich in der Vergangenheit herausgestellt, dass eine regionale Mitbestimmung bei der Mittelvergabe zu einer höheren Akzeptanz und Wirksamkeit der Maßnahmen führt. Die Projekte werden durch die Einbindung lokaler Akteure, wie Kommunen, Wirtschaftsverbände oder zivilgesellschaftliche Organisationen, bedarfsgerecht gestaltet und erzielen nachhaltige Effekte. Regelmäßig überprüft die EU-Kommission, wie wirksam die Maßnahmen sind. In vielen Berichten hat sie bestätigt, dass die dezentrale Ausrichtung der Förderpolitik eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung der Regionen ist.
Daher ist die gegenwärtige Debatte über die künftige Struktur und Ausgestaltung der Regionalförderung von entscheidender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit zahlreicher europäischer Regionen. Die potenzielle Zentralisierung der Mittelvergabe auf nationaler Ebene stellt den bisherigen Ansatz in Frage und bringt zahlreiche neue Herausforderungen mit sich, die in den folgenden Abschnitten näher untersucht werden.
Die Funktion Hamburgs und Schleswig-Holsteins innerhalb des EU-Förderkontexts
Innerhalb der europäischen Förderpolitik kommt Hamburg und Schleswig-Holstein eine besondere Stellung zu. Die Entwicklung der vielfältigen Wirtschaftsstrukturen beider Länder wird maßgeblich durch EU-Fördermittel unterstützt. Hamburg agiert als Stadtstaat und als bedeutende Metropolregion, während Schleswig-Holstein die Rolle als nördlichstes Flächenland mit einer Kombination aus urbanen Zentren, ländlichen Gebieten und Küstenregionen prägt.
In Hamburg können EU-Fördermittel vor allem für Projekte in den Bereichen Innovation, Digitalisierung, Integration und Stadtentwicklung genutzt werden. Mittel aus dem EFRE werden beispielsweise verwendet, um Start-ups zu fördern, nachhaltige Mobilitätslösungen auszubauen und moderne Stadtviertel zu entwickeln. Die Einbindung von Migrantinnen und Migranten sowie von sozial benachteiligten Gruppen wird ebenfalls durch spezifische Programme gefördert. Die Stadt nutzt ihre Funktion als internationales Handelszentrum und Innovationsstandort zu ihrem Vorteil, was sich in der Gestaltung der Förderprogramme zeigt.
Im Gegensatz dazu wird in Schleswig-Holstein die EU-Strukturförderung hauptsächlich verwendet, um den ländlichen Raum zu stärken, die Energiewende voranzutreiben und die maritime Wirtschaft zu unterstützen. Programme wie „Land(auf)Schwung“ oder die Förderung der Offshore-Windenergie sind Beispiele für Vorhaben, die mithilfe von EU-Finanzierungen realisiert werden. Im Rahmen der Förderpolitik liegt auch ein Augenmerk auf der Ausweitung digitaler Infrastrukturen, der Schulmodernisierung sowie der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Die Programmgestaltung berücksichtigt die Besonderheiten des Landes, wie die Küstenlage, die Nähe zu Dänemark und die Herausforderungen des demografischen Wandels.
Die flexible und bedarfsorientierte Gestaltung der Fördermittelvergabe bringt Vorteile für beide Länder. Die Chance, regionale Fokussierungen vorzunehmen, hat zur Entstehung innovativer Projekte geführt, die in anderen Regionen als Vorbild fungieren. Zugleich bietet die dezentrale Vergabe die Möglichkeit, schnell auf gegenwärtige Herausforderungen zu reagieren, wie zum Beispiel auf die Corona-Pandemie oder den Klimawandel.
Auch die Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg im Bereich der EU-Förderung hat eine strategische Bedeutung. Die Zusammenarbeit bei Projekten, wie etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur oder der Innovationsförderung, intensiviert die Verflechtung zwischen den beiden Ländern und fördert die Entwicklung der gesamten Metropolregion. Die enge Abstimmung ermöglicht es, Synergien zu nutzen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Norddeutschland weiter zu erhöhen.
Die auf eine stärkere Zentralisierung der Mittelvergabe abzielenden vorgeschlagenen Änderungen auf EU-Ebene könnten die bisherigen Erfolge gefährden. Insbesondere in Hamburg und Schleswig-Holstein besteht eine große Sorge, dass regionale Besonderheiten und Innovationspotenziale künftig weniger Beachtung finden. Die Länder betrachten sich als Pioniere einer erfolgreichen dezentralen Förderpolitik und engagieren sich daher für deren Weiterführung.
Die SPD-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein: Personen und Standpunkte
Die SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat sich als eine der Hauptakteure für die Bewahrung der dezentralen EU-Förderpolitik etabliert. Serpil Midyatli führt die Fraktion an, die auf die Wichtigkeit regionaler Gestaltungsspielräume und die Erfolge hinweist, die in den vergangenen Jahren durch eine zielgerichtete Nutzung europäischer Fördermittel erzielt wurden.
Die SPD-Fraktion hat sich zum Ziel gesetzt, die Interessen Schleswig-Holsteins auf der Bundes- und europäischen Ebene effektiv zu vertreten. Mit dem Antrag, den die Fraktion im Landtag vorgelegt hat, wird die Landesregierung dazu aufgefordert, sich aktiv gegen eine geplante Zentralisierung der Mittelvergabe einzusetzen und sich für die Bewahrung regionaler Mitbestimmung einzusetzen. Serpil Midyatli, die den Vorsitz der Fraktion innehat, vertritt die Ansicht, dass die Entscheidung über die Vergabe von Fördermitteln dort erfolgen sollte, wo ihre Auswirkungen unmittelbar zu spüren sind – also in den jeweiligen Regionen.
Die SPD hebt hervor, dass zahlreiche erfolgreiche Projekte aufgrund der bisherigen Praxis umgesetzt werden konnten. Dies umfasst unter anderem die Stärkung der Erneuerbaren Energien, die Modernisierung der Bildungsinfrastruktur, die Förderung innovativer Ansätze in kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Initiativen zur sozialen Integration. Ein wesentlicher Vorteil der Dezentralität besteht für die Fraktion darin, dass sie eine maßgeschneiderte Förderung ermöglicht und es garantiert, dass lokale Akteure eingebunden werden.
Die SPD-Fraktion führt außerdem an, dass es durch eine nationale Bündelung der EU-Fördermittel zu einer Beeinträchtigung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Mittelvergabe kommen könnte. Es wird befürchtet, dass vor allem strukturschwache Regionen ins Hintertreffen geraten könnten, wenn die Verteilung von zentralen Stellen in Berlin oder Brüssel entschieden wird. Die Fraktion warnt, dass die Förderpolitik von den realen Bedürfnissen vor Ort „entfremdet“ werden könnte, und sieht die Gefahr, dass innovative regionale Lösungen in Zukunft weniger Chancen auf Unterstützung haben.
Außerdem hebt die SPD-Fraktion die demokratiepolitische Dimension des Themas hervor. Die Einbeziehung regionaler und lokaler Akteure in Entscheidungsprozesse erhöht nicht nur die Akzeptanz der Maßnahmen, sondern stärkt auch das Vertrauen in die europäischen Institutionen. Eine Zentralisierung könne dazu führen, dass das Vertrauen untergraben und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit den geförderten Projekten geschwächt werde.
Im politischen Austausch kooperiert die SPD-Fraktion eng mit verschiedenen Akteuren, darunter Kommunen, Wirtschaftsverbände und zivilgesellschaftliche Organisationen. Es soll eine breite Allianz zum Erhalt der dezentralen Förderpraxis gebildet und der Druck auf die Landes- und Bundespolitik verstärkt werden. Die Fraktion sieht sich als Sprachrohr der Regionen und bemüht sich, die Errungenschaften der letzten Jahre nicht durch eine europäische Reform zu gefährden.
Die Entwürfe der EU-Kommission: Kontext und Beweggründe
Die derzeitigen Reformvorschläge der Europäischen Kommission im Bereich Struktur- und Regionalförderung sind Bestandteil einer weitreichenden Neuausrichtung der Kohäsionspolitik, die ab 2028 in Kraft treten soll. Die Kommission will die Effizienz bei der Verwendung der Mittel steigern, bürokratische Hürden abbauen und die Wirkung der Fördergelder verstärken. Ein wesentlicher Aspekt ist die Konsolidierung unterschiedlicher EU-Fördermittel in einem einzigen umfangreichen Fonds, der auf nationaler Ebene verwaltet werden soll.
Laut der Kommission könnte eine Bündelung der Ressourcen und eine intensivere Steuerung durch die Mitgliedstaaten zu einer verbesserten Koordination und einer zielgenaueren Förderung führen. In besonderem Maße sollen Überschneidungen zwischen verschiedenen Förderinstrumenten ausgeschlossen und die Verwaltungskosten gesenkt werden. Die Kommission hofft, dass die nationale Steuerung zu einer besseren Verbindung mit nationalen Entwicklungsplänen und zu einer stärkeren Ausrichtung auf die politischen Prioritäten der EU, wie dem Grünen Deal oder der Digitalisierung, führt.
Ein zusätzliches Motiv ist die Vereinfachung der Prozesse rund um Antragstellung und Abrechnung. Die Kommission erkennt, dass die gegenwärtige Praxis eine Vielzahl von Programmen und Zuständigkeiten umfasst, was zu Ineffizienzen und Verzögerungen führen kann. Ziel der Reform ist es, eine schnellere und zielgenauere Verwendung der Mittel zu ermöglichen – vor allem in Krisensituationen wie der Corona-Pandemie.
Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass die angestrebte Zentralisierung erhebliche Risiken birgt. Es besteht die Gefahr, dass nationale Regierungen bei der Verteilung der Mittel politische Erwägungen anstellen und regionale Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigen. Eine zentralisierte Steuerung könnte die bisherige Praxis der Partnerschaft und die Einbindung regionaler Akteure schwächen. Auch Experten warnen, dass die Transparenz und Kontrolle bei der Mittelvergabe beeinträchtigt werden könnten.
Die Kommission unterstreicht, dass die Reformvorschläge aus einem umfassenden Konsultationsprozess stammen und die Erfahrungen der Mitgliedstaaten und Regionen berücksichtigt werden sollen. Es bleibt jedoch abzuwarten, in welchem Maße die Bedenken aus den Ländern wie Schleswig-Holstein und Hamburg Berücksichtigung finden. Die Entscheidung darüber, wie die Kohäsionspolitik künftig gestaltet werden soll, wird erhebliche Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit und Entwicklungsperspektiven der Regionen haben.
Intensive Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament sind im politischen Prozess zu erwarten. Die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen werden dabei von entscheidender Bedeutung sein. Die Diskussion über die Zentralisierung der Vergabe von Fördermitteln stellt somit ein Abbild der grundlegenden Frage dar, wie viel Eigenständigkeit und Mitbestimmung den Regionen in der Europäischen Union in Zukunft erhalten bleiben soll.
Regionale Mitbestimmung und demokratische Beteiligung: Möglichkeiten und Gefahren
Nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch aus demokratiepolitischer Perspektive ist die Frage relevant, inwieweit auf regionaler Ebene Einfluss auf die Vergabe von EU-Fördermitteln genommen werden kann. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat demonstriert, dass die Einbindung regionaler und lokaler Akteure für die Wirksamkeit und Akzeptanz europäischer Förderprojekte entscheidend ist. Das als Erfolgsmodell der bisherigen Kohäsionspolitik geltende Partnerschaftsprinzip sieht die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen und gesellschaftlichen Gruppen vor.
Die spezifischen Bedarfe und Herausforderungen vor Ort können besser berücksichtigt werden, indem die Mittel dezentral vergeben werden. Die Entwicklung und Auswahl der Projekte erfolgt unter Einbringung von Expertise und Kreativität durch Kommunen, Landkreise, Wirtschaftsverbände, Hochschulen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Es entstehen maßgeschneiderte Lösungen, die den spezifischen Besonderheiten der Region gerecht werden. Die Bürgerinnen und Bürger bekommen die Gelegenheit, aktiv an der Gestaltung ihrer Lebensumwelt teilzunehmen.
Bei der geplanten Zentralisierung der Mittelvergabe besteht die Gefahr, dass diese Möglichkeiten zur Beteiligung verringert werden. Es gibt unter den Kritiker:innen die Sorge, dass die regionalen Besonderheiten von zentralen Stellen in Berlin oder Brüssel weniger berücksichtigt werden und die Förderung sich an allgemeinen, nationalen Prioritäten ausrichtet. Dadurch könnte die Projektvielfalt abnehmen und innovative regionale Ansätze würden weniger gefördert. Zudem besteht die Gefahr, dass die Transparenz der Mittelvergabe beeinträchtigt wird und die Nachvollziehbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger abnimmt.
Gleichzeitig weisen die Befürworter der Zentralisierung darauf hin, dass sie eine bessere Umsetzung nationaler Strategien und eine Erhöhung der Kohärenz der Förderpolitik ermöglichen könnte. Zentral gesteuerte Programme könnten vor allem in Bereichen wie dem Klimaschutz und der Digitalisierung größere Auswirkungen haben. Als weiteres Argument wird auch die Effizienz der Verwaltung angeführt, etwa durch vereinfachte Antragsverfahren.
Hierbei ist die demokratische Teilhabe einerseits dem Prinzip der Effizienz und andererseits dem der Partizipation verpflichtet. Einerseits könnte eine intensivere Zentralisierung die Steuerbarkeit der Programme verbessern, andererseits besteht die Gefahr, dass die Förderpolitik sich von den lokalen Gegebenheiten entfernt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Akzeptanz europäischer Projekte eng mit der Möglichkeit zur Mitgestaltung verknüpft ist. Vor allem in Gebieten mit schwacher Struktur, die auf EU-Fördermittel angewiesen sind, stellt die Identifikation mit den Projekten einen entscheidenden Aspekt für deren Gelingen dar.
Daher handelt es sich bei der Diskussion über die Zukunft der EU-Förderpolitik auch um eine Diskussion über die demokratische Verfasstheit Europas. Ob die Bürgerinnen und Bürger die Europäische Union künftig als ein entferntes Bürokratieprojekt oder als einen Partner bei der Gestaltung ihrer Lebenswelt wahrnehmen, wird davon abhängen, wie viel Mitbestimmung die Regionen behalten.
Konsequenzen einer Zentralisierung: Potenziale, Gefahren und Erlebnisse
Die Debatte über eine Zentralisierung der EU-Fördermittel wirft zahlreiche Fragen zu den potenziellen Auswirkungen auf die Regionen auf. Während die Kommission auf Effizienzgewinne und eine verbesserte Mittelsteuerung hinweist, sehen viele Akteure in den Ländern erhebliche Risiken für die Entwicklungsperspektiven der Regionen.
Ein wesentliches Risiko ist, dass regionale Besonderheiten und innovative Projekte in einer zentralisierten Förderlandschaft weniger Beachtung finden. Es besteht die Gefahr, dass die Vergabe der Fördermittel auf nationalen Prioritäten basiert und lokale spezifische Bedürfnisse in den Hintergrund gedrängt werden. Vor allem strukturschwache oder Randgebiete könnten benachteiligt werden, wenn die Entscheidung über die Verteilung in Berlin oder Brüssel an zentralen Stellen getroffen wird.
Eine Zentralisierung muss nicht zwangsläufig zu einer effizienteren Verwaltung der Mittel führen. Erfahrungen aus anderen Bereichen der Politik zeigen, dass zentrale Strukturen oft mit längeren Entscheidungsprozessen, einem höheren Abstimmungsbedarf und einer geringeren Flexibilität verbunden sind. Zusätzliche Bürokratie könnte die Fähigkeit, rasch auf neue Herausforderungen zu reagieren, erschweren. Die bisherigen Erfahrungen in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten legen nahe, dass dezentrale Strukturen eine größere Nähe zu den Projekten und eine höhere Anpassungsfähigkeit gewährleisten.
Andererseits eröffnet eine Zentralisierung auch Möglichkeiten. Eine Zusammenfassung der Mittel könnte helfen, nationale Großprojekte wie im Bereich Infrastruktur, Digitalisierung oder Klimaschutz effektiver zu realisieren. Weniger Schnittstellen zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen könnten dazu beitragen, die Steuerung komplexer Programme zu vereinfachen. Die Kontrolle darüber, wie die Mittel verwendet werden, könnte ebenfalls durch zentrale Strukturen verbessert werden, vorausgesetzt, Transparenz und Rechenschaftspflichten sind eindeutig festgelegt.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Auswirkungen auf die Fähigkeit der Regionen zur Innovation. Dezentrale Strukturen haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, innovative Projekte und neue Ansätze zu testen. Weil die Akteure vor Ort nah beieinanderliegen, werden kreative Lösungen gefördert, die den spezifischen Herausforderungen der Region gerecht werden. Eine Zentralisierung könnte zur Folge haben, dass solche Innovationen weniger oft gefördert werden und die Vielfalt der Projekte abnimmt.
Die Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern mit der Einführung zentraler Förderstrukturen zeigen ein gemischtes Bild. Einige Staaten berichten von Effizienzgewinnen und einer verbesserten Steuerung, während in anderen Ländern Probleme bei der Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und eine geringere Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit den geförderten Projekten auftreten.
Die Auswirkungen einer Zentralisierung sind insgesamt noch unklar und werden intensiv in politischen und wissenschaftlichen Diskursen behandelt. Die Entscheidung über die zukünftige Gestaltung der Förderpolitik wird erhebliche Auswirkungen auf die Regionen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten haben.
Lokale Stimmen: Rückmeldungen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
In Hamburg und Schleswig-Holstein findet die Debatte über die Zukunft der EU-Förderpolitik ein breites Echo. Politikerinnen und Politiker sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft äußern sich zu verschiedenen Aspekten, sind sich jedoch in ihrer Ablehnung einer vollständigen Zentralisierung weitgehend einig.
Deutliche Signale aus der Landespolitik zeigen, dass die Wahrung der regionalen Interessen notwendig ist. Auch die SPD-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag sowie Vertreter anderer Parteien und die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich kritisch zu den Reformplänen der EU-Kommission geäußert. Sie heben die Wichtigkeit der regionalen Mitbestimmung hervor und weisen auf die Erfolge der bisherigen Förderpraxis hin.
In beiden Ländern wird die EU-Fördermittel als ein wesentlicher Antrieb für Innovation, Infrastruktur und Beschäftigung betrachtet. Kleine und mittlere Unternehmen ziehen besonders Nutzen aus maßgeschneiderten Programmen, die auf die spezifischen Anforderungen ihrer Branche und Region abgestimmt sind. Wirtschaftsverbände warnen, dass eine Zentralisierung die Flexibilität und Innovationskraft der Regionen schwächen könnte. Zugleich wird die Wichtigkeit einer transparenten und unbürokratischen Mittelvergabe betont, für die regionale Strukturen eine bessere Garantie böten.
Auch die Landkreise und Kommunen bringen Bedenken hinsichtlich einer verstärkten Zentralisierung zum Ausdruck. Sie betonen, dass sie als direkte Umsetzer der Förderprojekte auf eine enge Abstimmung mit der Bevölkerung angewiesen sind. Als wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Maßnahmen akzeptiert werden, gilt es, lokale Interessen und Ideen in die Entwicklung des Projekts einzubringen.
Auch die Zivilgesellschaft, einschließlich Vereinen, Verbänden und Initiativen, zieht Nutzen aus der bisherigen Praxis. Ohne die Fördermittel der EU wären zahlreiche Vorhaben in den Bereichen Soziales, Integration, Umwelt und Kultur nicht umsetzbar. Vertreter dieser Gruppen befürchten, dass sie bei einer Zentralisierung weniger Einfluss auf die Mittelvergabe haben und innovative, gemeinwohlorientierte Projekte seltener Unterstützung erhalten.
Einige Vertreter aus Wissenschaft und Verwaltung weisen darauf hin, dass es Reformen braucht, um die Komplexität der Förderlandschaft zu verringern und die Wirkung der Mittel zu steigern. Sie setzen sich dafür ein, die bestehenden Strukturen weiterzuentwickeln, um eine stärkere Koordination und eine bessere Verknüpfung mit nationalen Strategien zu ermöglichen, ohne dabei die regionale Mitbestimmung aufzugeben.
Alles in allem ist festzustellen, dass die Diskussion über die EU-Förderpolitik in Hamburg und Schleswig-Holstein sehr aktiv geführt wird. Die unterschiedlichen Akteure verlangen eine Reform, die Effizienzgewinne mit dem Erhalt regionaler Gestaltungsmöglichkeiten verknüpft. Im Zentrum der Debatte steht die Sorge um die Zukunftsfähigkeit der Regionen sowie um die Bürgerbeteiligung.
Perspektiven der EU‑Förderpolitik: Herausforderungen und Optionen zur Gestaltung
Die Zukunft der EU-Struktur- und Regionalförderung befindet sich an einem Wendepunkt. Die Reformen, die ab 2028 anstehen, bieten die Möglichkeit, das erfolgreiche Modell der Kohäsionspolitik weiterzuentwickeln und an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Zugleich besteht die Gefahr, dass eine übermäßige Zentralisierung die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gefährdet.
Eine der wesentlichen Schwierigkeiten besteht darin, ein Gleichgewicht zwischen Effizienz und Partizipation herzustellen. Die Förderlandschaft ist komplex und die administrativen Anforderungen sind hoch – Reformen sind nötig, die Bürokratie abbauen und die Wirkung der Mittel steigern. Es ist jedoch wichtig, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen und lokale Akteure einzubinden. Erfahrungen haben gezeigt, dass individuell zugeschnittene Projekte und die Einbindung der örtlichen Bevölkerung für den Erfolg der Förderpolitik entscheidend sind.
Durch die Digitalisierung eröffnen sich neue Chancen, die Verwaltung der Fördermittel zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Die Antragstellung zu erleichtern, die Kontrolle über die Verwendung der Mittel zu optimieren und die Bürgerbeteiligung zu fördern, könnten digitale Plattformen unterstützen. Zur selben Zeit ist es erforderlich, dass Datenschutz und Datensicherheit sichergestellt werden.
Auch die inhaltlichen Schwerpunkte der Förderpolitik werden überprüft. Um den Klimawandel, die Digitalisierung, die demografische Entwicklung und die sozialen Ungleichheiten zu begegnen, sind innovative Ansätze und eine flexible Förderpolitik notwendig. Die Gebiete Hamburg und Schleswig-Holstein haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie fähig sind, auf neue Herausforderungen mit kreativen Lösungen zu antworten. Die Beibehaltung der dezentralen Vergabepraxis könnte dazu dienen, diese Innovationskraft weiter zu fördern.
Die Ausgestaltung der zukünftigen Förderpolitik wird von den politischen Entscheidungsprozessen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene abhängen. Die Einbindung der Regionen, die Koordination zwischen den verschiedenen Ebenen und die Sicherstellung einer adäquaten finanziellen Ausstattung sind dabei entscheidende Faktoren für den Erfolg. Die Stellungen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein werden in den bevorstehenden Verhandlungen von großer Bedeutung sein.
Die Diskussion über die EU-Förderpolitik dient somit auch als Indikator für die Zukunft der europäischen Integration. Wie die EU von ihren Mitgliedern und Regionen wahrgenommen wird, hängt entscheidend davon ab, wie regionale Interessen berücksichtigt werden, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden und wie gut es gelingt, innovative Lösungen für gemeinsame Herausforderungen zu entwickeln. Ob es gelingt, die Kohäsionspolitik als Motor für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung in ganz Europa zu bewahren und weiterzuentwickeln, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.