Goldschmidt spricht sich gegen zusätzliche Öl- und Gasförderung aus

Goldschmidt warnt vor mehr Förderung.

Die Debatte über die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland hat seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs einen neuen Höhepunkt erreicht. Vor allem die Überlegung, ob man russisches Gas und Öl weiterhin nutzen sollte, hat die energiepolitische Landschaft grundlegend verändert. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, setzte die Bundesregierung auf einen schnellen Ausbau der Flüssigerdgas-Importe (LNG). Doch immer mehr Menschen wehren sich gegen eine dauerhafte Festlegung auf fossile Energieträger. Im Zentrum dieser Diskussion steht Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Die Grünen), der mit Nachdruck neue Öl- und Gasförderungen in Nord- und Ostsee ablehnt. Goldschmidt mahnt, dass die ökologischen und klimapolitischen Konsequenzen weiterer Bohrvorhaben gravierend sind; er fordert eine starke Ausrichtung auf erneuerbare Energien, vor allem der Windkraft, die an den deutschen Küsten bereits eine wichtige Rolle spielt.

Die Gründe für einen raschen Umbau des Energiesektors und gegen neue fossile Projekte sind vielfältig. Einerseits steht der Schutz empfindlicher Meeresökosysteme auf der Agenda, die bereits heute unter Überfischung, Verschmutzung und der Erderwärmung leiden. Auf der anderen Seite ist die Herausforderung, wie Deutschland seine Klimaziele erreichen kann, ohne dass dies die Sicherheit und Bezahlbarkeit der Energieversorgung gefährdet. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Bundesregierung den Ausbau von LNG-Terminals vorangetrieben, doch Goldschmidt sieht dies nur als Übergangslösung. Sein Hinweis, dass die Brücke LNG möglichst kurz sein sollte, ist wichtig; er warnt vor der Gefahr, neue Abhängigkeiten zu schaffen, besonders von Lieferanten aus den USA, wo Erdgas häufig durch umweltschädliches Fracking gewonnen wird.

Die Diskussion wird zudem durch wirtschaftliche Interessen und energiepolitische Zwänge kompliziert. Während einige politische und wirtschaftliche Akteure glauben, dass es notwendig ist, neue fossile Lagerstätten zu erschließen, um Versorgungslücken zu schließen, warnen Umweltorganisationen und Teile der Wissenschaft vor den langfristigen Risiken und Kosten. Die LNG-Terminals, die an der Küste geplant sind oder schon in Betrieb genommen wurden – wie die in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin – sind nicht nur infrastrukturelle Einrichtungen, sondern auch Zeichen für die Richtung, in die sich Deutschlands Energiepolitik bewegt.

In diesem Spannungsfeld zwischen der Sicherheit der Energieversorgung, dem Klimaschutz und wirtschaftlichen Interessen stellt sich die Frage, welche Rolle neue Öl- und Gasförderungen in Zukunft noch spielen dürfen – und welche Alternativen es gibt. Dieser Artikel betrachtet die unterschiedlichen Aspekte dieser Debatte, untersucht die Standpunkte der wichtigsten Akteure und macht deutlich, welche Herausforderungen und Chancen die deutsche Energiewende hat.

Der politische Hintergrund: Deutschlands Energiepolitik im Wandel

Die Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahren im Wandel. Die Entscheidung zum Atomausstieg nach der Fukushima-Katastrophe im Jahr 2011 war ein entscheidender Wendepunkt, der die Aufmerksamkeit stärker auf erneuerbare Energien lenkte. Ein weiterer Meilenstein wurde erreicht: Der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 ist beschlossen. Aber die geopolitischen Veränderungen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben die energiepolitische Agenda erheblich verschärft. Die über Jahrzehnte gewachsene Abhängigkeit von russischem Erdgas wurde innerhalb weniger Monate zu einem der größten Risiken für die Versorgungssicherheit und zwang die Bundesregierung, schnell zu handeln.

Die Errichtung von LNG-Importstrukturen war eine direkte Antwort auf die drohenden Versorgungsengpässe. Durch den Bau von Terminals in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin – teilweise in Rekordzeit – wurde sichergestellt, dass Deutschland auch ohne russisches Gas seine Industrie und Haushalte versorgen kann. Alle wichtigen politischen Akteure haben diese Maßnahmen grundsätzlich unterstützt, obwohl die Grünen und die Umweltverbände von Anfang an klar gemacht haben, dass LNG nur als temporäre Brücke dienen sollte. Die Debatte über neue Öl- und Gasförderungen, besonders vor den deutschen Küsten, ist jedoch viel umstrittener. Obwohl einige Politiker und Vertreter der fossilen Industrie glauben, dass die Erweiterung der heimischen Förderung zur Versorgungssicherheit beiträgt, lehnen Umweltminister wie Tobias Goldschmidt neue Bohrvorhaben entschieden ab.

Goldschmidts Ansicht ist ein gutes Beispiel für einen immer größer werdenden Teil der Politik, der die Klimaziele des Pariser Abkommens ernst nimmt und den Ausbau der erneuerbaren Energien als zentralen Hebel dafür sieht. Sie widerspricht den Bemühungen, die fossile Energieerzeugung durch neue Projekte zu verlängern oder sogar auszubauen. Deshalb haben die Bundesnetzagentur und das Bundeswirtschaftsministerium die Pflicht, ein Gleichgewicht zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz zu finden – eine komplexe Herausforderung in Zeiten globaler Krisen, die sich gegenseitig überstürzen.

Umweltminister Goldschmidt: Ein Profil und seine Kernforderungen

Seit 2022 ist Tobias Goldschmidt Umweltminister von Schleswig-Holstein; er ist Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Er hat eine politische Laufbahn, die untrennbar mit der Energiewende und dem Umweltschutz verbunden ist. Schon während seiner Amtszeit als Staatssekretär im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein engagierte er sich für die Förderung erneuerbarer Energien. Goldschmidt wird als sachorientierter Befürworter ehrgeiziger Klimaziele angesehen und als jemand, der sich auch gegen die Interessen der fossilen Industrie in Norddeutschland äußert.

Seine zentralen Forderungen in Bezug auf neue Öl- und Gasförderungen sind unmissverständlich: Keine neuen Bohrplattformen in Nord- und Ostsee, ein möglichst schneller Ausstieg aus fossilen Energieträgern und ein konsequenter Ausbau der Windkraft, sowohl an Land als auch auf See. Goldschmidt hebt in Interviews und öffentlichen Äußerungen hervor, dass die Meere schon jetzt enorm unter den Auswirkungen des Klimawandels und menschlicher Eingriffe leiden. Durch neue Förderprojekte würden nicht nur das Risiko von Ölunfällen und Methanemissionen steigen, sondern auch wertvolle Lebensräume für Fische, Vögel und Meeressäuger weiter gefährdet werden.

Goldschmidt warnt außerdem vor einer übermäßigen Nutzung von LNG. Die Gewinnung von Flüssigerdgas erfolgt oft durch Fracking, was große Umweltschäden verursachen kann. Die LNG-Infrastruktur sollte also nicht zur langfristigen Stütze der deutschen Energieversorgung werden. Es sei entscheidend, jede Investition in fossile Infrastrukturen zu überdenken – jeder Euro, der in rückschrittliche Technologien fließt, fehlt beim Ausbau zukunftsorientierter Systeme wie Wind- und Solarenergie. Goldschmidt verlangt, dass wir die Klimaziele strikt einhalten und dass die Politik den Ausbau erneuerbarer Energien klar priorisiert.

Goldschmidt übt gleichzeitig Kritik an den Bestrebungen, neue Abhängigkeiten von Ländern wie den USA zu schaffen, deren Gasexporte häufig mit umweltschädlichen Methoden verbunden sind. Er verlangt, dass wir aus der Vergangenheit lernen und Fehler – wie die einseitige Abhängigkeit von Russland – nicht noch einmal wiederholen. Die Energiewende sollte als Chance für Innovation, Wertschöpfung und regionale Entwicklung gesehen werden, anstatt als ein Hindernis für Wirtschaftswachstum oder Versorgungssicherheit.

Nord- und Ostsee unter Druck: Ökologische Risiken neuer Bohrungen

Wirtschaftlich und ökologisch zählen die Nord- und Ostsee zu den wichtigsten Meeresgebieten Europas. Als wichtige Verkehrswege und Standorte für Offshore-Windparks sind sie zudem hochsensible Ökosysteme, die unter vielfältigem Druck leiden. Öl- und Gasbohrungen in diesen Gebieten sind mit erheblichen Umweltgefahren verbunden. Die bereits bestehenden Förderplattformen, der Schiffsverkehr, die Fischerei und der wachsende Tourismus belasten die Meere. Die Auswirkungen des Klimawandels verschlimmern die Lage zusätzlich: Wassertemperaturen steigen, die Versauerung schreitet voran und es mangelt an Sauerstoff – all das schadet den Lebensräumen vieler Arten.

Die Offshore-Öl- und Gasförderung bringt Risiken mit sich, wie Ölunfälle, Methanemissionen und Störungen des Meeresbodens. Durch Bohrplattformen können Leckagen entstehen, die dazu führen, dass giftige Stoffe ins Wasser gelangen. Die Auswirkungen solcher Unfälle sind häufig schwerwiegend und über lange Zeiträume zu beobachten, wie Beispiele aus anderen Regionen, wie der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko, belegen. Selbst wenn Förderanlagen "normal" arbeiten, können Lärm, Licht und Verschmutzung die marinen Lebensgemeinschaften stören.

Deshalb schlagen Umweltverbände und Wissenschaftler Alarm, wenn es um eine Erweiterung der Förderung geht. Ihnen zufolge sind viele Arten in Nord- und Ostsee bereits erheblich unter Stress. Schweinswale, Seevögel und viele Fischarten haben immer weniger ungestörte Rückzugsräume. Indem man neue Plattformen und Pipelines errichtet, würde man diese Entwicklung noch verschärfen. Außerdem spielen die Ozeane als Kohlenstoffsenken eine entscheidende Rolle für das globale Klima. Mit jedem weiteren Eingriff steigt das Risiko, dass diese Funktion weiter geschwächt wird.

Im Rahmen ihrer Meeresstrategie hat die Europäische Union das Ziel, die Nord- und Ostsee besser zu schützen. Als Nachbarstaat hat Deutschland die Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Bohrungen nach neuen Öl- und Gasvorkommen sind deshalb nicht nur unvereinbar mit nationalen Klimazielen, sondern auch mit internationalen Abkommen zum Schutz der Meere und der Umwelt.

LNG als Brücke: Chancen, Grenzen und Kritik

Als zentrale Maßnahme, um kurzfristig die Energieversorgung zu sichern und die Abhängigkeit von russischem Pipeline-Gas zu reduzieren, wird der Import von Flüssigerdgas (LNG) angesehen. Deutschland hat seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs in Windeseile mehrere LNG-Terminals an seinen Küsten gebaut oder plant sie. Dank dieser Infrastruktur ist es möglich, Gas aus verschiedenen Quellen – wie den USA, Katar oder Australien – zu beziehen und so die Versorgung breiter aufzustellen.

Durch das Abkühlen von Erdgas auf -162 Grad Celsius wird es zu LNG (Liquefied Natural Gas) verflüssigt, was einen Transport per Schiff ermöglicht. In den deutschen Terminals erfolgt das Umwandeln des Gases zurück in seinen gasförmigen Zustand und es wird ins Netz eingespeist. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 lag die Einspeisung der deutschen LNG-Terminals bei etwa 39,3 Terawattstunden, was rund acht Prozent der gesamten Gasimporte ausmacht. Mit der Inbetriebnahme weiterer Terminals wird der Anteil wahrscheinlich noch steigen.

Befürworter von LNG heben hervor, dass die Terminals die Versorgungssicherheit verbessern und Preisschwankungen mildern können. Ihre Argumentation besagt, dass LNG eine essentielle Übergangslösung zur Klimaneutralität ist, bis erneuerbare Energien und Speichertechnologien ausreichend verfügbar sind. Allerdings bringen Kritiker wie Tobias Goldschmidt die ökologischen und klimapolitischen Konsequenzen einer übermäßigen Langzeitnutzung in Warnung. LNG wird oft mit Fracking in Verbindung gebracht, einer Methode, bei der man große Mengen Wasser und Chemikalien in Gesteinsschichten presst, um Gas freizusetzen. Aufgrund ihrer Gefahren für die Umwelt, wie etwa die Verunreinigung von Grundwasser und das Risiko von Erdbeben, wird diese Technik kritisiert.

Außerdem sind die Treibhausgasemissionen von LNG im Vergleich zu herkömmlichem Pipeline-Gas höher, weil für den gesamten Prozess des Verflüssigens, Transports und Wiederverdampfens große Energiemengen aufgebracht werden müssen. Deshalb fordern Umweltverbände und Teile der Wissenschaft, die Nutzung von LNG strikt zeitlich zu begrenzen und die Infrastruktur so zu planen, dass sie später auch für klimafreundliche Gase wie Wasserstoff genutzt werden kann. Goldschmidt warnt, dass LNG-Terminals nicht zum "Bremsklotz" der Energiewende werden dürfen – sie sollten die Transformation ermöglichen, nicht aufhalten.

Neue Abhängigkeiten und geopolitische Risiken

Die Entscheidung, auf LNG-Importe umzusteigen, hat nicht nur technische und ökologische, sondern auch geopolitische Auswirkungen. Mit den neuen Terminals wird Deutschland unabhängiger von Russland, aber es entstehen auch neue Abhängigkeiten von anderen Lieferanten. Vor allem die Vereinigten Staaten haben sich zu einem bedeutenden Exporteur von Flüssigerdgas entwickelt. Ein großer Teil des in den USA gewonnenen Gases stammt jedoch aus Fracking, was aus ökologischer Sicht bedenklich ist.

Die Preisbildung auf dem globalen LNG-Markt ist auch anfällig für Schwankungen, weil das Angebot je nach Nachfrage aus Asien, Europa und anderen Regionen stark variiert. Das kann zu großen Preisschwankungen und Unsicherheiten führen. Politische Spannungen, Lieferengpässe oder Handelsstreitigkeiten können die Versorgung zusätzlich gefährden. Die Bundesregierung muss deshalb die Herausforderung meistern, die Bezugsquellen zu diversifizieren, ohne dabei neue Abhängigkeiten zu schaffen.

Goldschmidt warnt ausdrücklich, dass Deutschland nicht in eine ähnliche Abhängigkeit von den USA geraten sollte, wie es zuvor von Russland der Fall war. Seine Forderung lautet, die Lehren aus vergangenen Fehlern zu berücksichtigen und die Energieversorgung so breit gefächert wie möglich zu gestalten. Erneuerbare Energien und europäische Kooperationen sollten dabei prioritär behandelt werden. Er ist der Meinung, dass die Förderung von heimischem Erdgas oder Öl in Nord- und Ostsee aus klimapolitischen und ökologischen Gründen nicht richtig ist.

Vor dem Hintergrund von Menschenrechts- und Umweltstandards ist die Diskussion über neue Deals mit den USA, Katar oder anderen Exportländern ebenfalls von Bedeutung. Während einige Staaten strenge soziale und ökologische Anforderungen erfüllen, sind andere für problematische Fördermethoden und instabile politische Verhältnisse bekannt. Goldschmidt und andere Kritiker argumentieren deshalb, dass die Auswahl von Energieimporten nicht nur auf Preis und Menge, sondern auch auf Nachhaltigkeitskriterien basieren sollte.

Windkraft als Alternative: Potenziale und Herausforderungen

Um die Energiewende in Deutschland zu meistern, ist der Ausbau der Windenergie besonders wichtig, vor allem in den windreichen Küstengebieten des Nordens. Umweltminister Goldschmidt's Bundesland, Schleswig-Holstein, ist dabei ein Vorreiter. Windkraftanlagen, sei es an Land oder auf See, erzeugen bereits heute einen Großteil der dort produzierten Elektrizität. Es gibt erhebliche Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau, vor allem im Offshore-Bereich.

Die Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee haben das Potenzial, enorme Strommengen zu produzieren und sind somit ein wichtiger Bestandteil des Klimaschutzplans der Bundesregierung. Die Vorgaben sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen mindestens 30 Gigawatt Offshore-Windleistung installiert sein, und bis 2045 sollen es sogar 70 Gigawatt sein. Im Jahr 2022 betrug die installierte Offshore-Leistung etwa 8 Gigawatt. Es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die den Ausbau der Windenergie bremsen. Hierzu gehören Genehmigungsprozesse, fehlende Netzanbindung, Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz sowie Widerstand aus der Bevölkerung.

Experten und Politiker, darunter auch Goldschmidt, sind trotz dieser Schwierigkeiten der Ansicht, dass die Windkraft die zukunftssichere Alternative zu fossilen Energieträgern ist. Sie ist fast emissionsfrei, nutzt keine knappen Rohstoffe und kann flexibel erweitert werden. Außerdem ermöglichen Offshore-Windparks die Erzeugung von großen Strommengen, ohne dass wertvolle Agrarflächen an Land genutzt werden. Um Windstrom ins Netz einzuspeisen, sind jedoch Investitionen in Leitungen, Speicher und intelligente Steuerungssysteme notwendig.

Die Windkraft mit der Produktion von grünem Wasserstoff zu verbinden, ist ein weiteres vielversprechendes Feld. Mit Elektrolyse lässt sich überschüssender Strom in Wasserstoff umwandeln, der als Energiespeicher oder in der Industrie verwendet werden kann. Bundesländer wie Schleswig-Holstein wollen sich als Wasserstoff-Hubs positionieren, um neue Wertschöpfungsketten zu entwickeln. Goldschmidt betrachtet diese Fortschritte als einen entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Region und der gesamten deutschen Energieversorgung.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven

Die Debatte über neue Öl- und Gasförderungen und den Ausbau der erneuerbaren Energien umfasst nicht nur ökologische und klimapolitische Aspekte, sondern hat auch große wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Die fossile Industrie – dazu zählen die Betreiber von Förderplattformen, Raffinerien und LNG-Terminals – beschäftigt zehntausende Menschen und ist in einigen Regionen ein wichtiger Faktor für die Wertschöpfung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien bietet gleichzeitig neue Chancen für Innovation, Beschäftigung und die Entwicklung der Regionen.

In Norddeutschland ist die Windenergiebranche schon jetzt ein bedeutender Wirtschaftszweig. In Planung, Bau, Betrieb und Wartung von Anlagen schafft sie Arbeitsplätze und zieht Zulieferunternehmen sowie Forschungseinrichtungen an. Das expandierende Geschäft mit grünem Wasserstoff schafft neue Chancen, sei es im Maschinenbau, in der Chemieindustrie oder beim Aufbau von Infrastrukturen. Um von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu wechseln, sind enorme Investitionen nötig – sei es in Anlagen oder in die Weiterbildung und Qualifizierung der Arbeitskräfte.

Die gesellschaftliche Akzeptanz ist ein entscheidender Faktor für neue Energieprojekte. Obwohl Offshore-Windparks hohe Akzeptanz genießen, gibt es bei Onshore-Projekten immer wieder Widerstand – oft aus Angst vor Beeinträchtigungen von Landschaft, Natur oder Gesundheit. In Küstenregionen, wo Tourismus, Fischerei und Naturschutz von großer Bedeutung sind, gibt es jedoch eine breite Ablehnung gegenüber neue Öl- und Gasförderungen.

Die wirtschaftlichen Argumente der fossilen Industrie – wie die Versorgungssicherheit und die regionale Wertschöpfung – verlieren zunehmend an Gültigkeit, weil die Preise für erneuerbare Energien immer weiter sinken und die Klimakosten fossiler Projekte immer klarer erkennbar werden. Goldschmidt und andere Befürworter der Energiewende machen deutlich, dass man den Strukturwandel aktiv gestalten muss, um soziale Härten zu verhindern und Beschäftigten sowie Regionen neue Perspektiven zu schaffen.

Kontroversen um CCS und Subventionen: Die Debatte in Berlin

Verschiedene Ansichten zu Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) und staatlichen Subventionen für fossile Energieträger prägen die energiepolitische Debatte erheblich. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) setzt sich für die Anwendung von CCS ein, einer Methode, bei der Kohlendioxid aus Industrieprozessen abgeschieden und in tiefen geologischen Schichten eingelagert wird. Nach ihrer Ansicht ist es eine Chance, Emissionen aus unvermeidbaren Quellen zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen, ohne auf Erdgas als Übergangsenergie zu verzichten.

Allerdings betrachten Tobias Goldschmidt und andere Kritiker CCS als eine riskante und kostspielige "Scheinlösung", die den Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögert und Ressourcen von den dringend benötigten Investitionen in erneuerbare Energien abzieht. Sie kritisieren, dass die langfristige Sicherheit der CO₂-Speicherung nicht garantiert sei und dass die Technik hohe Kosten verursache. Außerdem besteht die Gefahr, dass CCS als Rechtfertigung dient, um weiterhin in fossile Infrastrukturen zu investieren.

Ein weiterer Streitpunkt ist die staatliche Unterstützung von Erdgasprojekten mit Mitteln zum Klimaschutz. Das Bundeswirtschaftsministerium ist der Ansicht, dass Erdgas als Brückentechnologie unerlässlich ist und der Umbau der Energieversorgung Unterstützung braucht; Gegner hingegen sehen darin eine Fehlleitung öffentlicher Gelder. Goldschmidt übt die Kritik, dass jeder Euro, der in rückwärtsgewandte Technologien investiert wird, beim Ausbau der erneuerbaren Energien fehlt. Er verlangt, dass die staatliche Förderung konsequent auf Zukunftstechnologien ausgerichtet und fossile Energieträger subventioniert werden, die fossilen Energieträger abgeschafft werden.

Die Debatte über CCS, Subventionen und die Bedeutung von Erdgas spiegelt die herausfordernde Suche nach dem richtigen Weg in der Energiepolitik wider. Sie macht deutlich, wie stark die Spannungen zwischen den kurzfristigen Anforderungen und den langfristigen Zielen sind – und wie sehr die heutigen Entscheidungen die Energieversorgung und den Klimaschutz der kommenden Jahrzehnte prägen werden.